48°12‘42.7″N 16°21’24.5″E
48.211866, 16.356813

Eine lange Zeit hatte er dort gestanden und nichts gesagt. Einfach nur ertragen. Ertragen den Schmerz, ertragen die Wut, ertragen das Unfassbare. Krieg, so hatte er sich das des öfteren gedacht, Krieg war all-zerstörend. Der Krieg zerstörte immer alles. Alles und jeden. Jeder Nagel stellte eine Wunde dar. Eine Person, die jemanden verloren hatte. Eine Person, die meinte andere unterstützen zu wollen. Zusammenhalt, nach dem großen Krieg. Doch langsam war dieser Zusammenhalt versiegt. Der Krieg war zwar nicht in Vergessenheit geraten, aber doch aus den Köpfen der Menschen verschwunden. Zwar im Bewusstsein noch vorhanden, aber irgendwo nach hinten gedrängt. Als ob das Grauen mit der Zeit an Brutalität verloren hatte. Zahmer wurde. Zu Etwas wurde, zudem man keinen Zugang mehr hatte. Ein Teil einer Geschichte.

Mit dem Vergessen der Menschen, hatte sich etwas verändert. Langsam. Er hatte es nicht sofort bemerkt. Es kam schrittweise. Er wusste nicht genau wie er es beschreiben sollte. Dieses dunkle etwas, das ihn langsam einlullte. Wie ein grau-violetter Schleier legte es sich um ihn. Was war wohl ein guter Name dafür?

Der Grant. Er kam aus seinem Schwert. Zuerst war er am Schwarzenbergplatz gestanden, doch nun, in der Nähe des Rathauses, war es anders. Immer weniger Menschen spendeten Geld und schlugen einen Nagel in seinen Körper. Eine Pein, die er still ertragen hatte, und die geholfen hatte den Schmerz des Weltkrieges zu besänftigen. Doch nun, da ihn keiner mehr besuchte, stieg eine tiefe Unruhe in ihm hoch. Langsam, über 100 Jahre war sie gewachsen, hatte die Wienerinnen und Wiener unterbewusst verdorben.  

Doch dann stand auf einmal jemand vor ihm. Einfach so. Las die Plakette an der Wand, begutachtete die Nägel und sein Schwert. Es war irgendwie beruhigend. Die Aufmerksamkeit, die wachen Augen. Er fühlte, dass sich der Schleier lichtete. Irgendwie empfand er Hoffnung. Wie nach einem Sturm, wenn das erste Stückchen blauer Himmel hinter den Wolken hervorlugte. Er konnte die Welt wieder wahrnehmen. Er war sich seiner Aufgabe bewusst. Das Monster in ihm war zur Ruhe gekommen und der Grant verflog.