48°12‘37.6″N 16°20’08.5″E
48.21045, 16.3357

Georgina stand vor dem Laden mit dem beindruckenden Schaufenster aus Holz. Wo war die Café- Konditorei geblieben? War sie den Monstern zum Opfer gefallen oder einfach vom Zeitgeist verdrängt worden? Georgina schaute nach oben auf das Logo über der Türnummer 49. In diesem Moment löste sich auch der kleine Jungen mit dem roten Fes in Luft auf. Georgina sah sich um. Was wäre Wien wohl ohne Kaffee?


Kaffee interessiert Dich nicht die Bohne, wirst du wohl sagen, lieber unbekannter Freund, liebe unbekannte Freundin. Das dachte Georgina zuerst auch – sie trinkt viel lieber Cola. Bis Hayriye ihr den der stärksten und süßesten Kaffees reichte, den sie in ihrem langen Leben je gekostet hatte, und zu erzählen begann: „Bir kahvenin kırk yıl hatırı vardır atasözünün anlamı. Das bedeutet soviel wie: Eine Tasse Kaffee – 40 Jahre Freundschaft.“ Und während Hayriye von der verbindenden Kraft des Kaffees sprach, sah Georgina die Bilder in ihrer Tasse durch die Zeit tanzen: Sie sah Hirten vor einem Strauch mit roten Früchten im Königreich Kaffa. Sie sah einen Händler in der Hafenstadt Mokka, der einen Sack Kaffeebohnen klaute und weiterverkaufte. Sie sah einen osmanischen Gesandter, einem Wiener Adeligen seine erste Tasse Kaffee servieren. Das Koffein in ihren Adern begann zu wirken. „Bloss nicht umrühren“, sagte Hayriye, sonst wirbelst du zu viel Kaffeesatz auf!“ Georgina lachte. „Jetzt erst, ungefähr 350 Jahre später, verstehe ich auch, warum die Schlange vor dem ersten Wiener Kaffeehaus so lang war!

„Kleiner Brauner, flat white, Wiener Melange, Türk kahvesi oder Galão… Monster hassen Kaffee, weil er so weltgewandt ist“, sagte Hayriye. „Du kannst das Wunder des Kaffees aktivieren, wenn du die ihn mit viel Liebe braust und einem unbekannten Gast servierst. Versuch’s einfach mal!“